Eine Frau sucht eine Verbindung auf einem Aufhang-Fahrplan heraus.

Wie entsteht ein Fahrplan?

Warum haben Züge Verspätung? Warum fährt die S-Bahn im 20-Minuten-Takt, die Regionalbahn aber nicht? Zum Thema Fahrplan gibt es viele Fragen. Sicher ist:  Hinter jedem Fahrplan steht ein großer organisatorischer Aufwand. Das gilt gerade auch im verkehrsreichen Bahnland NRW.  Wir erklären, wie ein Fahrplan entsteht – und wie schnell er aus dem Gleichgewicht geraten kann.

Ein Fahrplan für 120 SPNV-Linien in NRW

1998 wurde in Nordrhein-Westfalen der Integrale Taktfahrplans (ITF) eingeführt. Seitdem ist das Angebot des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) landesweit in klare Linien überführt worden. Dabei gibt es rund 120 SPNV-Linien in NRW. Bei der Fahrplangestaltung müssen aber nicht nur diese, sondern auch die Fernverkehrslinien und die Güterzüge, die teilweise auf denselben Schienen fahren, berücksichtigt werden. Alle sollen pünktlich und störungsfrei fahren – an allen Bahnhöfen, zu jeder Tages-​ und Nachtzeit. Immer wieder müssen zeitliche Konflikte gelöst werden. Das Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan NRW (KC ITF NRW) zeichnet für die Weiterentwicklung des NRW-Taktes verantwortlich. In landesweiten Arbeitskreisen werden gemeinsam mit den Aufgabenträgern für den SPNV und den Vertretern der DB-Infrastrukturunternehmen neue Angebotskonzepte, Fragen des Fahrzeugeinsatzes sowie mit der Angebotsplanung im Zusammenhang stehende infrastrukturelle Maßnahmen diskutiert. Die Ergebnisse fließen in die konkrete Fahrplangestaltung ein.

18 Monate Planung für den Bahnfahrplan

Im Schienenverkehr tritt einmal pro Jahr ein neuer Fahrplan in Kraft, immer zum EU-weiten Fahrplanwechsel am zweiten Samstag im Dezember. Der Fahrplan der Deutschen Bahn wird über einen Zeitraum von 18 Monaten geplant und umgesetzt. Daran arbeiten hinter den Kulissen mehr als 600 Fachleute der DB Netz AG mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zusammen. In NRW sind das DB Regio NRW, eurobahn, National Express, NordWestBahn, Regiobahn, RheinRuhrBahn, Rurtalbahn, Transregio, TRI, VIAS Rail und WestfalenBahn.

Los geht es bereits anderthalb Jahre vor dem Fahrplanwechsel. Dann beginnen die Planer damit, die verfügbare Infrastruktur inklusive bestehender und geplanter Baumaßnahmen zu erfassen. Neben den aktuellen Bedarfszahlen -  wie viele Menschen zu welcher Tageszeit die Verbindung nutzen – fließen beispielsweise auch Informationen zu Besonderheiten an Stationen oder auch zu Geschwindigkeitslimits auf den verschiedenen Streckenabschnitten in die Erhebung ein. Diese Informationen gehen anschließend an die Eisenbahnunternehmen, die auf dieser Basis ihre Zugangebote entwickeln. Bei Bedarf werden die Planungen noch einmal angepasst.

Neun Monate vor dem Fahrplanwechsel geben die EVU ihre Trassenanmeldungen, das sind die Linien, die sie im folgenden Fahrplanjahr fahren möchten, bei der DB Netz AG ab. Stichtag dafür ist immer der zweite Montag im April. Danach wird es kniffelig, denn jetzt sind es nur 50 Tage Zeit, um aus den zigtausenden Anmeldungen einen vorläufigen Netzfahrplanentwurf zu erstellen. Die Belegungen der Trassen werden geplant und mögliche Konflikte ausgeräumt. Dabei unterstützen digitale Programme. Diese berechnen mit Hilfe komplizierter Algorithmen und Simulationen das perfekte Zusammenspiel aller Wünsche.

Am ersten Montag im Juli wird der vorläufige Netzfahrplanentwurf an die EVU übermittelt. Sie haben dann einen Monat Zeit, Stellung zu nehmen und der DB Netz AG ihre Änderungswünsche mitzuteilen. Ende August erhalten sie den endgültigen Netzfahrplanentwurf, auch Trassenangebot genannt. Die EVU nehmen Angebote an oder lehnen sie ab. Anschließend bekommen auch die kommunalen Verkehrsunternehmen den endgültigen Netzplan für ihren Bereich und können die Bus-​ und Straßenbahnfahrpläne auf das SPNV-Angebot abstimmen. Am zweiten Sonntag im Dezember findet schließlich der große Fahrplanwechsel aller europäischen Bahnen statt. Einige kommunale Verkehrsunternehmen stellen dann ebenfalls ihre Fahrpläne um, andere folgen zum Jahreswechsel. Am zweiten Juniwochenende gibt es noch einmal den sogenannten kleinen Fahrplanwechsel mit aktuell notwendigen Angebotsanpassungen.

Ein Fahrplan ist Präzisionsarbeit

Ein Fahrplan ist immer Präzisionsarbeit, durchdacht bis ins kleinste Detail. Den perfekten Fahrplan gibt es trotzdem nicht. Anfragen wie „Könnten Sie bitte die S1 morgens von Dortmund nach Essen um 5 Minuten verschieben?“ sind aufgrund der Komplexität des Fahrplangefüges nicht kurzfristig zu realisieren. Über Veränderungen kann kein Verkehrsunternehmen alleine entscheiden. Denn keine Linie, weder auf der Schiene noch auf der Straße, fährt im luftleeren Raum. Allerdings berücksichtigen Verkehrsunternehmen und -​verbünde die Fahrgastwünsche langfristig und bringen sie in die Planungen mit ein.

Gleichzeitig ist ein Fahrplan aber auch ein sensibles Konstrukt, Ob er funktioniert – das ist von vielen Beteiligten und Faktoren abhängig. Unwetterschäden, Unfälle, Notarzteinsätze, zu spät bereitgestellte Fahrzeug oder auch akut erkrankte Lokführer sind immer wiederkehrende Gründe für Verspätungen. Und: Wird das Netz an nur einer Stelle aus dem Gleichgewicht gebracht, hat das Auswirkungen auf das gesamte System. Unvorhersehbares lässt sich nicht planen.