Eingeschaltete Bildschirme in einer Leitstelle.

Der Fels in der Brandung: Wie Disponent*innen in jeder Lage den Überblick behalten

Für Fahrgäste beinahe unsichtbar, für die laufende Mobilität in NRW aber existenziell: Disponent*innen in den Leitstellen der Eisenbahnverkehrsunternehmen sind Dreh- und Angelpunkt für den Öffentlichen Nahverkehr. Warum eine ruhige Schicht vor den zahlreichen Monitoren und Telefonen aber keineswegs langweilig ist, berichtet der Dispo-Teamleiter der TransRegio, Tobias Liewert.

„Man hat ja gerne etwas zu tun, weiß aber auch um die Konsequenzen. Auch wenn viel Action häufig spannend ist – in der Leitstelle sollte es nicht zu viel davon geben“, fasst Tobias Liewert die Best- und Worst-Case-Situationen des Disponent*innen-Jobs zusammen. Er selbst ist als Triebfahrzeugführer in die Bahnbranche eingestiegen, bevor ihn ein Kollege angesprochen und ihm den Wechsel in die Leitstelle schmackhaft gemacht hat: „Das Schöne ist, dass unsere Türen offenstehen. Jeder im Haus, der sich für unseren Job in der Leitstelle interessiert, kann sich bei uns melden und mal reinschnuppern“, so der Bereichsleiter.

Alltag in der Leitstelle

Auch den Triebfahrzeugführer*innen selbst ist anfangs oft nicht bewusst, wie viel Kontakt sie tagtäglich mit den Kolleg*innen der Leitstelle haben werden. Denn die Disponent*innen im SPNV haben den absoluten Rund-um-Blick! Zehn Monitore, zwei Telefone und eine Menge potenzielle Ansprechpartner*innen, die sie aus dem Effeff abrufen können. Besonders für die Triebfahrzeugführenden ist die Leitstelle Anlaufpunkt Nummer eins, wenn es um Störungen, Verspätungen oder Rückfragen geht – ebenso für die Werkstattmitarbeitenden. Eine vorherige Tätigkeit als Triebfahrzeugführer*in oder Fahrdienstleiter*in ist keine Pflicht mehr, aber von Vorteil. Bei der TransRegio steigen die Disponent*innen sogar noch selbst in den Führerstand: „Es ist immer jemand dabei, der die Fahrzeuge abends selbst rangieren kann. Der Zug, der sich in der Werkstatt befindet, wird meistens von uns für den Nachtbetrieb vorbereitet“, erklärt Liewert.

Teamwork im großen Stil

Das Disponent*innen-Team bei der TransRegio besteht aus neun Mitarbeitenden: sechs hauptamtliche Disponent*innen, zwei Springer*innen und Teamleiter Tobias Liewert. Als eingespielte Abteilung funktioniert die Zusammenarbeit beinahe blind, denn alle Rädchen greifen gut ineinander – auch wenn Verstärkung im Team stets gefragt ist. Das wurde besonders im Sommer 2022 deutlich: „Gerade der Aktionszeitraum des 9-Euro-Tickets war für uns in der Dispo eine enorme Belastung, mal ganz vom Stress für die Kolleg*innen auf dem Zug abgesehen“, resümiert Tobias. Die für 2023 beschlossene Einführung des 49-Euro-Tickets bietet daher „spannende Ausblicke“.

Portraitfoto Tobias Liewert
„Niemand in der Leitstelle beginnt eine Schicht im Sommer anders als im Winter. Dass der SPNV wetterabhängig sei, ist längst überholt. Dass mal eine Weiche im Winter zufriert oder spontane Nebelbänke entstehen, kann natürlich immer passieren, hat aber keine extremen Einflüsse auf den Schienenverkehr.“

Tobias Liewert, Teamleiter Betriebsstelle bei TransRegio

Keine stürmischen Überraschungen im Herbst

Die Zahl der unvorhersehbaren Unwetterereignisse hält sich auf den Strecken von Tobias und seinem Team zum Glück in Grenzen – doch auch wenn Katastrophen, wie die Flut im Aartal im Sommer 2021, die Ausnahme sind, ist mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen des Klimawandels davon auszugehen, dass extreme Wetterereignisse in Zukunft zunehmen. Daher wurden die Sicherheitsvorkehrungen auch bei den Bahnen in NRW noch einmal verschärft: Unwetterwarnungen werden umgehend ausgewertet und Vorhersagen kritisch geprüft. Doch aktuell sind es nicht die wetterbedingten Störungen, die die Disponent*innen vor große Herausforderungen stellen: „Die Überlastung der Strecken ist für uns ein weit größeres Problem als etwaige vereiste Schienen oder hohe Windgeschwindigkeiten. Wirkliche Großstörungen haben wir auf unseren Strecken nur vier- bis fünfmal im Jahr“, versichert Tobias Liewert.

Info

Die TransRegio GmbH bedient die Strecken in der Region Mittelrhein und durchquert sowohl Gebiete in NRW als auch in Rheinland-Pfalz. Die Besonderheit: Die Streckenabschnitte in der Region Köln-Bonn und weiter den Mittelrhein entlang bis nach Mainz sind trotz ihrer Nähe völlig unterschiedlich. Für die erfahrenen Fahrgäste in den Pendler*innen-Metropolen Köln und Bonn werden satte 210 Meter Zug eingesetzt. „Die Abläufe gehen zügig vonstatten, denn die Alltagsfahrer*innen sind echte Profis“, so Liewert. „In der Weinregion weiter südlich, fahren deutlich mehr Urlauber*innen in unseren Zügen mit, da muss man längere Standzeiten aufgrund vieler Fragen, Unsicherheiten oder mehr Fahrrädern an Bord einplanen.“

Drei Fragen an Tobias Liewert (Teamleiter Betriebsleitstelle bei TransRegio)

1. Welche charakterlichen und beruflichen Voraussetzungen braucht man für den Job als Disponent*in?

Tobias Liewert: Zuallererst, der Disponent*innen-Job ist sehr spannend und vielseitig, fordert dir jedoch auch etwas ab. Die wichtigste Eigenschaft ist eindeutig Kommunikationsfähigkeit, denn in der Leitstelle bist du Ansprechpartner*in für alle operativen Bereiche, die den Betriebsablauf garantieren. Lokführer*innen, Werkstattmitarbeitende oder Betriebsplaner*innen wenden sich an dich, wenn sie Unterstützung benötigen. Empathie und eine gewisse Stressresistenz sind daher eindeutige Pluspunkte. Da die Züge 24/7 im Einsatz sind, arbeiten Disponent*innen im Drei-Schicht-Dienst. Die Schichten werden meist wöchentlich gewechselt – dem musst du dir bewusst sein. Ein Schichtdienst kann aber auch seine Vorzüge haben. Wenn du aus der Bahnbranche kommst und vorher als Triebfahrzeugführer*in oder Fahrdienstleiter*in tätig warst, ist das von Vorteil, aber keine Grundvoraussetzung.

2. Was macht am meisten Spaß am Disponent*innen-Job – und was eher weniger?

Tobias Liewert: Das Beste ist, dass man zu Dienstbeginn nie weiß, was der Tag bringt: Man beschäftigt sich allgemein mit vielen unterschiedlichen Themen und möglichen Problemfällen – und man weiß nie was wirklich kommt.
Etwas Schlimmes gibt es so gesehen nicht, ich würde es eher als „das Stressigste“ bezeichnen: Als Disponent*in hat man aus der Leitstelle zwar den ganzen Betrieb im Blick, im Störfall sind wir allerdings auf Informationen von außen angewiesen und können nur passiv eingreifen, indem wird den Zügen beispielsweise Verspätungen in kleineren Schritten auferlegen. In dem Fall versuchen wir den Betrieb so gut es geht aufrechtzuerhalten, müssen uns aber auf die Kolleg*innen vor Ort verlassen. Es gibt akute Probleme, auf die wir in der Leitstelle keinen Einfluss haben und wir nicht mal eben aus der Ferne lösen können.

3. Was bedeutet die „Bahnfamilie“ für Disponent*innen? Welche Überschneidungen mit anderen Fachbereichen gibt es?

Tobias Liewert: Aus der Leitstelle hinaus haben wir tiefe Einblicke hinter die Kulissen und leisten absolute Schnittstellenarbeit. Wir bekommen sehr gut mit, was in allen Abteilungen des Unternehmens passiert, weil wir erstens vor Ort sind und zweitens mit allen Bereichen regelmäßig in Kontakt stehen. Auch mit DB Netz sind wir im Austausch, sodass man sagen kann, dass die Disponent*innen in der Leitstelle mehr sehen, als die Triebfahrzeugführer*innen im Zug selbst. Zudem sind wir für die Lokführer*innen die ersten Ansprechpersonen bei allen möglichen Fragen – das ist vielen Kolleg*innen zu Beginn des Jobs gar nicht so bewusst. Da unser Dispo-Team bei der TransRegio „nur“ aus neun Leuten besteht, herrscht zudem ein großer Zusammenhalt, da haben alle ein offenes Ohr füreinander – und weil wir direkt am Betriebshof sitzen, ist auch die Nähe zu den anderen Fachbereichen gegeben, sodass man sich auch mit anderen Teams kurz auf einen Kaffee treffen oder sich austauschen kann, das ist schon viel wert.

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